Wiederentdeckung des Bierschnegels in Steinau a. d. Straße
In der Steinauer Innenstadt entdeckten die Biologen Sybille Winkel und Dr. Matthias Kuprian vom A2R mehrere Exemplare des Keller- oder Bierschnegels (Limacus flavus), einer vom Aussterben bedrohten Schneckenart, die im Main-Kinzig-Kreis und ganz Hessen als verschollen galt. Die Tiere wurden an Mauern in der Nähe des historischen Untertors gesichtet.
Die Entdeckung erfolgte zufällig in der Brüder-Grimm-Straße bei nächtlichen Beobachtungen während regnerischen Wetters. Die Natursteinmauern bieten mit ihren Nischen und Fugen ideale Verstecke. Auch ungenutzte Keller, Abwasserrohre und Blumenkübel dienen als Rückzugsräume. Über das Jahr 2019 hinweg wurden maximal acht Exemplare unterschiedlicher Größe gezählt. Drei Jungtiere wurden am 7. November 2019 kurz vor einer Kältewelle mit Nachtfrösten gezählt, und auch 2024 wurden bis zu 5 Tiere nachgewiesen, darunter ein Subadult im Mai. Dies bestätigt die Fortpflanzung der Art und die Gesundheit der Population.
Der Bierschnegel wird am besten in warmen, feuchten Nächten nach einem Regenschauer entdeckt. Dieser Fund stellt den ersten dokumentierten Nachweis im Main-Kinzig-Kreis dar. Ähnliche Funde gab es auch in anderen Teilen Hessens und Deutschlands, etwa 2014 im Schwalm-Eder-Kreis und 2018 in Würzburg.
Trotz seiner auffälligen Färbung und blauen Fühler ist die Art schwer zu entdecken, da sie nachtaktiv ist. Nur wenige Naturfreunde suchen gezielt in historischen Stadtkernen nach den Tieren.
Merkmale
Der Bierschnegel ist eine größere Nacktschnecke, die bis zu 10 cm lang werden kann. Ihre Farbe reicht von Gelb bis Orange, mit helleren Flecken. Sie ernährt sich von Obst, Gemüse, Pilzen sowie Flechten und verlassen erst bei Dunkelheit ihr Versteck zur Nahrungssuche. Am nächsten Tag zeugen nur Schleimspuren von ihren Aktivitäten.
Ehemalige Bedeutung als Vorratsschädling
Ursprünglich im Mittelmeerraum beheimatet, verbreitete sich der Bierschnegel in Süd-, West- und Mitteleuropa und war in feuchten Umgebungen wie Brauereien und Vorratskellern häufig anzutreffen. Der Name „Bierschnegel“ stammt von dieser Vorliebe.
Gefährdung und Schutz
Aufgrund der stark gefährdeten Population und der geringen Verbreitung ist der Bierschnegel auf den Roten Listen der gefährdeten Weichtiere Deutschlands und vieler Bundesländer als "stark gefährdet" oder sogar "vom Aussterben bedroht" eingestuft. In Hessen wird die Art in der Roten Liste von 1995 immer noch als "ausgestorben oder verschollen" geführt (Status „0“).
Umso wichtiger ist die Wiederentdeckung der seltenen Art im osthessischen Steinau an der Straße und an mehreren anderen Orten in Hessen. Jetzt ist klar, dass die Spezies in Hessen noch nicht ausgestorben ist und die Rote Liste neu geschrieben werden muss. Empfohlen wird eine hessenweite Einstufung in die Kategorie „2“ – stark gefährdet. Gleichzeitig sollte der Keller- oder Bierschnegel als sogenannte „Mitmach-Art“ in die Liste der Arten aufgenommen werden, für deren Erhalt Hessen eine besondere Verantwortung hat. Die Arten dieser „Hessen-Liste“ erfahren im hessischen Natur- und Artenschutz eine besondere Aufmerksamkeit und Wertschätzung.
Um die Art zu schützen, sollten Mauerfugen bei Sanierungsarbeiten nicht nach außen bündig vermörtelt werden, um Lebensräume zu erhalten. Bei der Wahl des Mörtels sollten hydraulische Kalkmörtel / Kalkzementmörtel vor Zementmörteln bevorzugt werden, da sie weicher sind und sich rückstandslos entfernen lassen. Unbeschädigte Mauerteile können von Sanierungen ausgenommen werden, um Refugien für Mauerlebewesen zu erhalten.
Zudem sollte der Mauerfuß nicht versiegelt werden, und Gehölze, Gräser und Kräuter vor den Mauern sind wichtig, um das Feuchtklima zu erhalten.
Der Verzicht auch „Schneckenkorn“ sollte in einem Bierschnegel-Habitat eigentlich selbstverständlich sein. Generell mag die Art keine scharfen Reinigungs- und Putzmittel und präferiert „Wilde Ecken“ im Kleinen. Und ebenso wichtig ist für die nachaktive und konkurrenzschwache Art die Vermeidung von künstlichem Licht, die das Prädations-Risiko erhöhen könnte.
Der Bierschnegel wurde 2023, nach dem Tigerschnegel, als zweiter Vertreter der Familie der Schnegel zum Weichtier des Jahres gewählt. Dieser Titel hilft, das öffentliche Bewusstsein für die Art zu schärfen und die Bedeutung ihres Schutzes zu unterstreichen.
Fazit
Die Entdeckung des Bierschnegels in Steinau ist ein positives Zeichen für den Fortbestand dieser seltenen Art. Sie zeigt, dass die Spezies trotz ihrer Gefährdung in bestimmten Regionen überlebt hat. Die Erhaltung historischer Gebäudestrukturen als wertvolle Lebensräume ist entscheidend für die langfristige Sicherung und Förderung der Population.
Detaillierte Informationen über die Art: