„Neue Chance für die seltene Heide-Wicke“
Einst waren über 20 Einzelvorkommen der Heide-Wicke im hessischen und bayerischen Spessart in einem zusammenhängenden Band bekannt. Dieses Band erstreckte sich auf einer Länge von rund 30 km von Bad Orb im Norden bis Lohr und Rechtenbach im Süden. Heute sind nur noch drei dieser Standorte erhalten.
Insgesamt betrug der Populationsverlust bis heute über 80%. In Hessen galt die Art zwischenzeitlich sogar als ausgestorben, denn sie konnte an keinem der bekannten Fundorte mehr nachgewiesen werden. Der zufällige Wiederfund von ca. 40 Pflanzen an einer Wegböschung bei Mernes unweit der bayerischen Grenze im Juni 2014 durch die BVNH brachte jedoch noch einmal eine Trendwende für die bestandsbedrohte Art.
Jetzt konnte die Wiederansiedlung durch die Nachzucht hessischer Pflanzen erfolgen. Gleich mehrere Faktoren könnten dafür sorgen, dass Vicia orobus in Hessen wieder eine Zukunft hat.
Rückenwind erhielt die seltene Art mit der neuen hessischen „Biodiversitätsstrategie“. Sie listet Tier- und Pflanzenarten auf, für deren Erhalt Hessen eine besondere Verantwortung hat. Rund 300 Verantwortungsarten führt die sogenannte „Hessen-Liste“ auf. Darunter so prominente Arten wie Schwarzstorch, Frauenschuh-Orchidee und Feldhamster – aber eben auch die seltene Heide-Wicke. Ziel der Biodiversitätsstrategie ist es, für die Arten der „Hessen-Liste“ mittel- bis langfristig wieder einen günstigen Erhaltungszustand zu erreichen. So mit dem Prädikat „Verantwortungsart“ geadelt, wurde Vicia orobus zusammen mit 14 weiteren stark gefährdeten Arten der Roten Liste in das Projekt Erhaltungskulturen des Botanischen Gartens der Stadt Frankfurt aufgenommen. Im Botanischen Garten gelang es dann, alle 15 Arten zu vermehren. Unterstützt von den zuständigen Naturschutzbehörden und ehrenamtlichen Naturschützern vor Ort haben sich daraus in den vergangenen Jahren zahlreiche Wiederansiedlungsprojekte entwickelt.
Ein erfolgreicher Wiederansiedlungsstandort der Heide-Wicke im hessischen Spessart ist der „Schwarze Grund“, der von der Naturschutzgruppe „Gallisches Dorf“ betreut wird. A2R betreibt noch weitere Standorte, die aber nicht publik gemacht werden.
Hintergrund: Die Heide-Wicke ist eine sehr seltene und stark gefährdete Pflanzenart. In Deutschland ist die Art ausschließlich im Spessart und in der Eifel nahe der belgischen Grenze beheimatet. Die Art, die zu den Schmetterlingsblütlern (Leguminosen) gehört, kommt im bayerischen Spessart auf der Weikertswiese bei Rechtenbach und auf den Steigröderwiesen bei Lohr vor. Von ihrem Fundort Bad Orb wurde sie 1811 zum ersten Mal dokumentiert. Der manchmal irrtümlich gebrauchte deutsche Name „Orber Wicke“ geht auf eine zufällige Namensähnlichkeit mit dem griechischen Wort „Orobos“ für die Kichererbse zurück. Dieser Wortstamm fand im Laufe der Zeit auch noch bei verschiedenen anderen Leguminosen bei der wissenschaftlichen Namensgebung Verwendung, während der uralte Flussname „Orb“ sicherlich eine ganz andere Bedeutung hatte.
Gründe für die starken Bestandrückgänge der vergangenen Jahrzehnte sind u.a. Überdüngung der Flächen, ein zu früher Wiesenschnitt wie auch die Nutzungsaufgabe landwirtschaftlicher Standorte und Verbuschung.
Das Vorkommen der Heide-Wicke im Spessart ist eher ungewöhnlich, da die Pflanze eigentlich küstennahe Landschaften in Westeuropa bevorzugt. Ihr Hauptverbreitungsraum erstreckt sich von Nordspanien über Frankreich bis nach Dänemark und Süd-Norwegen, befindet also im gemäßigten atlantischen Klima. Die Vorkommen im Spessart sind die östlichsten Vorkommen in der Gesamtverbreitung der Art und somit von hoher arealgeographischer Bedeutung. In Mitteleuropa säumt sie die Flächen von Magerrasen, lichten Wäldern und Heideflächen. Früher stand die Pflanze auch auf spät gemähten Heuwiesen und sauren Magerrasen. Die prächtige Pflanze mit einer Wuchshöhe von 20-40 cm blüht zwischen Mai und Juli. Ihr Blütenstand besteht aus 8-18 Blüten. Die gefiederten Laubblätter sitzen an mäßig behaarten Stängeln.
Die Heide-Wicke (Vicia orobus) ist in Hessen nach der Roten Liste der Farn- und Samenpflanzen (5. Fassung, 2019; herausgegeben vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie – HLNUG) als vom Aussterben bedroht eingestuft. Das bedeutet, dass ihr Fortbestand in Hessen akut gefährdet ist.
Darüber hinaus ist die Art mit mehreren Zusatzkennzeichnungen versehen, die ihre besondere Bedeutung unterstreichen:
„! – Besondere Verantwortlichkeit
Hessens“
Hessen trägt eine besonders hohe Verantwortung für den
Erhalt dieser Art, da ein bedeutender Teil ihres
bundesweiten Vorkommens hier liegt. Ein Aussterben in
Hessen hätte daher schwerwiegende Folgen für die
Gesamtpopulation in Deutschland.
„H – Hessen-Art“
Diese Kennzeichnung stammt aus der sogenannten
Hessen-Liste der Arten und Lebensräume. Sie
hebt Arten hervor, für die in Hessen ein besonderer
Handlungsbedarf besteht – selbst wenn sie bundesweit
nicht gesetzlich geschützt sind. Ziel ist es, mit
gezielten Maßnahmen die Artenvielfalt gemäß der
Hessischen Biodiversitätsstrategie zu sichern.